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Kein Vorrang von gemeinsamer Sorge vor Alleinsorge

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 29.09.1999

Norm: § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB

Schlagworte:

Alleinige Sorge nach Scheidung, kein Regel-Ausnahme-Verhältnis bezüglich gemeinsamer und alleiniger Sorge, kein Vorrang der gemeinsamen Sorge vor der Alleinsorge eines Elternteils, Wohl des Kindes, Konflikte zwischen den Eltern

Redaktionelle Zusammenfassung

Nach der Scheidung wurde der Mutter die alleinige Sorge für das Kind übertragen. Dagegen wehrte sich der Vater, der die Fortdauer der gemeinsamen Sorge anstrebte, ohne Erfolg. Das alleinige Sorgerecht blieb bei der Mutter.

Der Vater hatte geltend gemacht, das Oberlandesgericht habe bei seiner Abwägung verkannt, dass der Gesetzgeber des Kindschaftsreformgesetzes die gemeinsame Sorge als Regelfall angestrebt habe, während die Übertragung der Alleinsorge auf ein Elternteil nach dem gesetzlich beabsichtigten Regel-Ausnahme-Verhältnis die "ultima ratio" sein müsse.

Diese Ansicht hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich nicht bestätigt.

Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsreformgesetz enthält kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehen und die Alleinsorge nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht kommen sollte.

Es soll in erster Linie Sache der Eltern sein zu entscheiden, ob sie die gemeinsame Sorge nach ihrer Scheidung beibehalten wollen oder nicht. Daraus ist jedoch nicht der Schluss zu ziehen, dass der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt werden soll. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist. Einer solchen Regelung stände bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt. Wenn sich die Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten streiten, kann dies zu Belastungen führen, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sind.

Die alleinige elterliche Sorge kann schon deshalb nicht nur als "Ausnahmeregelung" oder sogar als "ultima ratio" behandelt werden, weil sie - bei Uneinigkeit der Eltern - diejenige Sorgeform ist, die nach dem Maßstab des Kindeswohls gerichtlich bestimmt wird; nach dem Wohl des Kindes hat sich die elterliche Sorge aber insgesamt auszurichten.

Entgegen der Ansicht des Vaters lässt die Entscheidung des Oberlandesgerichtes auch im Hinblick auf die grundsätzlich mögliche Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge keinen Rechtsfehler erkennen. Wenn sich die Konflikte der Eltern wie im vorliegenden Fall auf verschiedene wesentliche Bereiche der elterlichen Sorge beziehen, kann rechtsfehlerfrei angenommen werden, dass unter diesen Umständen ein gedeihliches Zusammenwirken der Eltern zum Wohle des Kindes insgesamt ausgeschlossen erscheint. Selbst wenn sich Eltern im Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts einig sind, lässt dies, wie die Vergangenheit gezeigt hat, nicht darauf schließen, dass Streitigkeiten über die Ausgestaltung des Umgangsrechts zu vermeiden sind.

Nachdem zwischen den Eltern unabhängig von einzelnen Erziehungsfragen vielfältige Konflikte bestehen, die negative Auswirkungen auf die Tochter erwarten lassen, kann eine Aufteilung der elterlichen Sorge in verschiedene Teilbereiche im vorliegenden Fall nicht als geeignete und dem Kindeswohl am besten entsprechende Lösung angesehen werden.

Die Auswirkungen der zwischen den Eltern bestehenden Konflikte und Spannungen auf das Kind sind die Richtschnur für die Entscheidung. Insoweit kann außer Acht gelassen werden, ob die Spannungen ihre Ursache in einem früheren Scheidungs-Zwangsverbund hatten. Im Interesse des Kindes war daher die gemeinsame Sorge der Eltern mit Rücksicht auf deren mangelnde Konsens- und Kooperationsbereitschaft zu beenden und die alleinige Sorge der Mutter anzuordnen.

Das Original dieser Entscheidung ist nicht im Internet verfügbar. Der BGH betreibt jedoch einen gebührenpflichtigen Entscheidungsversand für Entscheidungen vor dem 01. Januar 2000. Sie finden die Konditionen dieses Entscheidungsversands unter http://www.bundesgerichtshof.de/entscheidungen/entscheidungen.php