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Kein Umgangsrecht des nur biologischen Vaters ohne sozial-familiäre Beziehung zum Kind

Oberlandesgericht Karlsruhe

Beschluss vom 12.12.2006

Norm: § 1684 BGB, § 1685 Abs. 2 BGB, Art.6 Abs. 2 GG, Art. 8 EMRK

Schlagworte:

Elternrecht, biologischer Vater, rechtlicher Vater, sozial-familiäre Beziehung

Redaktionelle Zusammenfassung

Der biologische Vater hatte mit der Mutter der von ihm stammenden Zwillinge ein Liebesverhältnis, während die Mutter mit einem anderen Mann verheiratet war. Die Ehe blieb bestehen, und die Mutter kümmerte sich zusammen mit ihrem Ehemann ab der Geburt um die Zwillinge. Die Zwillinge leben seitdem mit den Eheleuten und den drei bereits vorhandenen Kindern der Eheleute als Familie zusammen. Der Ehemann teilt sich mit der Mutter die Pflege und Versorgung der Zwillinge.

Der aus Nigeria stammende und von Abschiebung bedrohte biologische Vater beantragte den Umgang mit seinen Kindern. Das Oberlandesgericht entschied, dass ihm kein Umgangsrecht zusteht, da zwischen ihm und den Kindern keine schützenswerte sozial-familiäre Beziehung besteht und die Kinder einen rechtlichen Vater haben, der die tatsächliche Verantwortung für die Kinder trägt.

Der biologische Vater hat kein Umgangsrecht nach § 1684 Bürgerliches Gesetzbuch.  Als Eltern im Sinne dieser Regelung werden nur die gesetzlich legitimierten Eltern angesehen, da nur der jenige, der Elternverantwortung trägt, auch zum Umgang mit dem Kind verpflichtet werden kann.

Gemäß § 1592 Nummer 1 Bürgerliches Gesetzbuch ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, der Vater. Das ist im vorliegenden Fall der Ehemann der Mutter. Der biologische Vater kann seine Vaterschaft gemäß § 1594 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch nicht anerkennen, solange die Vaterschaft des Ehemannes besteht.

Der biologische Vater kann auch die Vaterschaft des Ehemannes nach § 1600 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch nicht anfechten, da der Ehemann mit den Kindern in einer sozial-familiären Beziehung lebt.

Der biologische Vater hat auch kein Umgangsrecht nach § 1685 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch, da er in keiner sozial-familiären Beziehung zu den Kindern steht oder gestanden hat.

Der biologische Vater ist auch nicht der Inhaber des Elternrechts aus Art. 6 Absatz 2 Grundgesetz. Inhaber des Elternrechts ist, wer zugleich die Elternverantwortung trägt, unabhängig davon, ob sich die Elternschaft auf Abstammung oder Rechtszuweisung gründet.

Das Nebeneinander von zwei Vätern entspricht nicht der Vorstellung von elterlicher Verantwortung, die  Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz zugrunde legt. Es verstößt daher auch nicht gegen Grundrechte des biologischen Vaters aus Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz, das Umgangsrecht aus § 1684 Bürgerliches Gesetzbuch an die rechtliche Elternstellung zu knüpfen.

Die Beziehung des biologischen Vaters, der nicht der rechtliche Vater ist, zu seinem Kind wird durch Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz nur geschützt, wenn zwischen ihm und dem Kind eine soziale Beziehung besteht, die darauf beruht, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen hat. Dann schützt  Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz das Interesse am Erhalt dieser familiären Beziehung und damit am Umgang miteinander. Der Schutz des Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz entsteht jedoch nicht schon aus dem Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind entstehen zu lassen.

Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund bisher noch keine tatsächliche Beziehung zwischen den Kindern und ihrem biologischen Vater entstanden ist, denn der grundsätzliche Schutz knüpft an das tatsächliche Bestehen einer Beziehung an.

Die Versagung des Umgangsrechts führt hier dazu, dass zwischen dem biologischen Vater und seinen Kindern keine Beziehung entstehen kann. Dieses Ergebnis trägt aber dem Umstand Rechnung, dass die Kinder in einer Familie leben und einen Vater haben; nämlich den rechtlichen Vater. Es entspricht der gesetzgeberischen Wertung, die in § 1600 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch zum Ausdruck kommt, der rechtlichen und gelebten Elternbeziehung den Vorrang vor der alleine auf der Abstammung beruhenden Vaterbeziehung zu geben.

Auch im Hinblick auf Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention ist es nicht geboten, dem biologischen Vater im vorliegenden Fall ein Umgangsrecht einzuräumen. Nach dieser Norm hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Familienlebens.

Abgesehen davon, dass es weder zwischen dem biologischen Vater und der Mutter noch zwischen dem biologischen Vater und den Zwillingen faktische Familienbande gibt, ist auch zu beachten, dass die anderen Beteiligten, nämlich die Eheleute und die mit ihnen als Familie zusammenlebenden fünf Kinder ein gleichrangiges Recht darauf haben, dass ihr Familienleben geachtet wird. Im Interesse der Stabilität des existierenden Familienverbandes ist die Durchsetzung der bloß auf Abstammung beruhenden familiären Beziehungen zurückzustellen.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechun…

Vergleiche hierzu auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.04.2003 (1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01)