<p>WIR SIND FÜR SIE DA!</p>
Service

WIR SIND FÜR SIE DA!

Halber Mehrbedarf für Alleinerziehende beim Wechselmodell

Bundessozialgericht

Beschluss vom 03.03.2009

Norm: § 23 Abs. 3 SGB II

Schlagworte:

Arbeitslosengeld II, hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehende, Wechselmodell, Zweck des Mehrbedarfs, Wechsel in mindestens wöchentlichen Intervallen, ungleichmäßige Anteile an der Betreuungsleistung

Redaktionelle Zusammenfassung

Die klagende Mutter wendet sich gegen die Aufhebung einer als Mehrbedarf für Alleinerziehende gewährten Leistung, nachdem sie mit ihrem früheren Ehemann, von dem sie getrennt lebt, eine Elternvereinbarung getroffen hatte, nach der die Eltern das gemeinsame Kind in wöchentlichem Wechsel betreuen. Sie ist der Ansicht, dass ihr der Mehrbedarf zumindest zur Hälfte zusteht. Das Bundessozialgericht gab ihr Recht.

Ob die klagende Mutter trotz des wöchentlichen Aufenthaltswechsels als alleinerziehend im Sinne des § 23 Absatz 3 Sozialgesetzbuch II angesehen werden kann, richtet sich nach Ansicht des Bundessozialgerichts nach dem Zweck des Mehrbedarfs.

Alleinerziehende haben wegen der Sorge für ihre Kinder weniger Zeit, preisbewusst einzukaufen und müssen zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen. Alleinerziehende mit noch nicht schulpflichtigen Kindern sind zudem weniger mobil, müssen die nächstgelegen Einkaufsmöglichkeit nutzen und haben ein höheres Informations- und Kontaktbedürfnis.

Zweck des Mehrbedarfs ist es deshalb, den höheren Aufwand des allein erziehenden Elternteils für die Versorgung und Pflege beziehungsweise Erziehung der Kinder etwa wegen geringer Beweglichkeit und zusätzlichen Aufwendungen für Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen.

Dabei kommt es darauf an, ob der hilfsbedürftige Elternteil entweder während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil oder Partner in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen oder ob eine derartige Entlastung innerhalb des Zeitraums eintritt, den das Kind sich bei dem anderen Elternteil aufhält.

Im vorliegenden Fall des wöchentlichen Betreuungswechsels tritt nach Ansicht des Bundessozialgerichts in derjenigen Woche, in der sich das Kind der klagenden Mutter bei dem Vater aufhält, keine finanzielle oder sonst wie geartete Entlastung in einem Umfang ein, dass die Zuerkennung eines Mehrbedarfs nicht gerechtfertigt wäre. Während des jeweils eine Woche umfassenden Zeitraums der Betreuung des Kindes durch die Mutter sorgt diese allein für seine Pflege und Erziehung. Ihr entstehen während dieses Zeitraums infolge der Sorge für das Kind die dem pauschalierten Mehrbedarf zugrunde liegenden erhöhten Aufwendungen Eine finanzielle Entlastung tritt insoweit nicht ein, weil sich die Eltern die Kosten nach der getroffenen Vereinbarung in etwa hälftig teilen. In der Betreuungswoche wirkt sich die fehlende Arbeitsteilung mit einem Partner nach wie vor erheblich aus. Die erhöhten Aufwendungen, zum Beispiel für kostenaufwändigere Einkäufe und die Kosten der Kinderbetreuung zur Aufrechterhaltung der Außenkontakte, lassen sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich das Kind mindestens eine Woche bei dem einen, die andere Woche bei dem anderen Elternteil aufhält, nicht außerhalb der Betreuungszeit im erforderlichen Umfang kompensieren.

Allerdings hält es das Bundessozialgericht für geboten, in Fällen der vorliegenden Art, den Mehrbedarf auf die Hälfte der Leistung zu begrenzen. Denn es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass die klagende Mutter durch das Wechselmodell während des Zeitraums, in dem der andere Elternteil für die Pflege und Erziehung des Kindes sorgt, keinen erhöhten Aufwendungen ausgesetzt ist.

Das Bundessozialgericht  weist daraufhin, dass die vorstehenden Überlegungen nach seiner Ansicht nicht auf Fälle zu übertragen sind, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil an Betreuungsleistungen praktiziert wird. Ist ein Elternteil in geringerem als hälftigem zeitlichen Umfang für die Pflege und Betreuung des Kindes zuständig, so steht der Mehrbedarf  allein dem anderen Elternteil zu. Die Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs erscheint dem Bundessozialgericht aufgrund seiner Überlegungen auch nicht gerechtfertigt, wenn sich die Betreuung in kürzeren als wöchentlichen Intervallen vollzieht.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechts…

Das Bundessozialgericht beantwortet hier die bislang noch nicht einheitlich entschiedene Frage, ob und in welchen Fällen Eltern als alleinerziehend im Sinne des § 21 Absatz 3 SGB II anzusehen sind, wenn sie sich bei der Pflege und Erziehung der Kinder abwechseln. Ein Anspruch auf die Hälfte des Alleinerziehenden-Mehrbedarfs besteht demnach, wenn sich die getrennt wohnenden Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die Kosten in etwa hälftig teilen.Das bedeutet, man kann nur damit rechnen, den hälftigen Mehrbedarf für Alleinerziehende zu bekommen, wenn das Kind immer mindestens eine Woche am Stück bei einem lebt. Sind die Intervalle des Wechselns kürzer, lebt das Kind beispielsweise von Montag bis Donnerstagmittag bei der Mutter und von Donnerstagmittag bis Sonntag beim Vater, bekommen die Eltern den Mehrbedarf nicht. Voraussetzung ist immer, dass sich die Eltern die Betreuung des Kindes in etwa gleichmäßig teilen. Wenn ein Elternteil weniger als die Hälfte der Zeit für die Pflege und Betreuung des Kindes zuständig ist, steht der Mehrbedarf nach Ansicht des Bundessozialgerichts allein dem anderen Elternteil zu.