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Isolierter Kindergeldausgleich beim Wechselmodell

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 20.04.2016

Norm: BGB §§ 1606 Absatz 3, 1612b Absatz 1; EStG § 64

Schlagworte:

Kindergeld, Wechselmodell, isolierter Ausgleich, Barunterhalt, Betreuungsunterhalt

 

Redaktionelle Zusammenfassung

Vorbemerkung

Der Bundesgerichtshof hat anlässlich der vorliegenden Entscheidung erstmals dargelegt und begründet, wie das Kindergeld seiner Auffassung nach zwischen den im Wechselmodell betreuenden Eltern aufzuteilen sei. Diese Rechtsprechung ist nicht ohne Kritik geblieben und hat unterschiedliche Ansätze in der Praxis hervorgebracht, die Vorgaben des BGH richtig zu verstehen und anzuwenden.

Der VAMV hat sich in seinen Stellungnahmen "Keine Stärkung von Einelternfamilien durch Reform des Sorge- und Unterhaltsrechts in Sicht" (ab Seite 8ff) und "Solidarität nach Trennung Eckpunkte für eine Reform des Kindesunterhaltsrechts" (ab Seite 7ff) mit dem Thema kritisch auseinandergesetzt.

Sachverhalt

Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute und Eltern dreier gemeinsamer Kinder, die sie im Wechselmodell betreuen. Sie leisten sich gegenseitig keine Unterhaltszahlungen. Der Vater beantragte gegenüber der Mutter, ihm die Hälfte des Kindergeldes auszuzahlen. Das Amtsgericht gab dem Antrag statt und verpflichtete die Mutter, die Hälfte des Kindergeldes an den Vater auszukehren. Ihre dagegen erhobene Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und ihre Zahlungspflicht bestätigt. Hiergegen wehrte sich die Mutter nun mit der Rechtsbeschwerde beim BGH – mit teilweisem Erfolg: Die Mutter hat dem Vater von dem Kindergeld für jedes Kind nicht die Hälfte, aber jeweils ein Viertel abzugeben.

Zusammenfassung

Der Kindesunterhalt setzt sich zusammen aus dem Betreuungs- und dem Barunterhalt.

Leben die Kinder mit ihren Eltern im paritätischen Wechselmodell, leisten die Eltern den Betreuungsunterhalt jeweils zur Hälfte durch Betreuung, Erziehung und Pflege des Kindes. Beide haben Barunterhalt zu leisten. Ihr Anteil richtet sich nach ihren jeweiligen Einkommensverhältnissen. In der Regel wird eine unterhaltsrechtliche Gesamtabrechnung erstellt, in der auch das Kindergeld Berücksichtigung im Zuge einer Verrechnung findet.

Der BGH hat klargestellt, dass im Wechselmodell auch dann der Ausgleich des Kindergeldes in Form einer Auszahlung verlangt werden kann, wenn keine unterhaltsrechtliche Gesamtabrechnung vorliegt.

Der BGH setzt sich mit der Frage auseinander, wie das Kindergeld in diesem Fall auszugleichen sei. Denn nach dem gesetzgeberischen Zweck des § 1612 b Absatz 1 Nummer 1 BGB stehe die Hälfte des Kindergeldes zur Verfügung, um den Elternteil zu entlasten, der Barunterhalt zahlt (hier im Folgenden „Baranteil des Kindergeldes“); die andere Hälfte solle bei der alltäglichen Betreuung finanziell unterstützen („Betreuungsanteil des Kindergeldes“).

Zugeschnitten sei diese Zuordnung auf den Fall, dass zwischen den Eltern klar aufgeteilt ist, wer den Kindesunterhalt durch Geldzahlung und wer ihn durch Betreuung im Sinne des § 1606 Absatz 3 Satz 2 BGB leistet (sog. Residenzmodell). Beim Vorliegen eines Wechselmodells beteiligen sich allerdings beide Eltern an beiden Formen des Kindesunterhalts: paritätisch, d.h. zu gleichen Teilen, an der Betreuung und je nach Leistungsfähigkeit am Barunterhalt. Die Frage, wie in dieser Konstellation – ohne Berechnung des Barunterhalts – das Kindergeld aufgeteilt werden soll, beantwortet der BGH wie folgt:

  1.  An dem Grundsatz, dass das Kindergeld je zur Hälfte für den Bar- und Betreuungsbedarf verwendet wird, ändert sich nichts.
  2.  Die Aufteilung der Hälften untereinander orientiert sich an den Unterhaltsleistungen der Eltern:

a. Da die Betreuungsleistung der Eltern quantitativ gleichwertig ist, teilten sie sich folgerichtig auch den „Betreuungsanteil des Kindergeldes“ paritätisch.

b. Im Gegensatz zur Gleichwertigkeit der Betreuungsleistung beider Elternteile sei ihre finanzielle Leistungsfähigkeit häufig unterschiedlich. Deshalb sei es auch gerechtfertigt, sie auch unterschiedlich, nämlich einkommensabhängig, am „Baranteil des Kindergeldes“ zu beteiligen: Wird der besserverdienende Elternteil stärker in die Unterhaltspflicht genommen, solle er auch mehr vom Kindergeld profitieren.

Im Wechselmodell könne also derjenige Elternteil (hier der Vater), der das Kindergeld nicht bezieht, stets vom anderen die Hälfte des „Betreuungsanteils“, d.h. ein Viertel des gesamten Kindergeldes, verlangen. Beansprucht er darüber hinaus auch eine Beteiligung am „Baranteil“, müsse er dies anhand konkreter Angaben zu den Einkommensverhältnissen begründen. Im vorliegenden Fall hatte der Vater hierzu nichts vorgetragen, so dass über eine Aufteilung des „Baranteils“ keine Entscheidung erging.

Diese Entscheidung im Original nachlesen

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