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Kindesunterhalt bei besonders guten Einkommensverhältnissen

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Beschluss vom 16.09.2020

Norm: BGB §§ 1605, 1606 Absatz 3, 1610

Schlagworte:

Auskunftsanspruch, Kindesunterhalt, Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle, Höchstbetrag, „unbegrenzt leistungsfähig“, Ableitung der Lebensstellung des Kindes von beiden Eltern, Mehrbedarf, Haftungsquote

Redaktionelle Zusammenfassung

Vorbemerkung
Die hier zusammengefasste Entscheidung des BGH hat bereits Eingang gefunden in die Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2021. In einer Fußnote wird für die Feststellung des Bedarfs bei Einkommen der höchsten Stufe auf diese Entscheidung verwiesen. Möglicherweise wird diese Rechtsprechung in Zukunft Eingang in die Düsseldorfer Tabelle in Form einer Fortschreibung der Tabellenwerte finden.

Sachverhalt
Die Antragstellerin ist die im Juni 2011 geborene Tochter des Antragsgegners (im Folgenden: Vater). Sie begehrt vom Vater Auskunft zu seinem Einkommen und Zahlung von Kindesunterhalt.
Die geschiedenen Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Vater ist Geschäftsführer eines Verlags und weiterer Gesellschaften. Die Tochter ist Schülerin und lebt in der Obhut der Kindesmutter.
Der Vater hat sich durch notarielle Urkunde zur Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle entsprechend der jeweiligen Altersstufe und abzüglich des hälftigen Kindergelds verpflichtet.
Er hat sich hinsichtlich des Kindesunterhalts für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob er dennoch zur Auskunft über sein Einkommen verpflichtet ist.
Das Amtsgericht hat den Vater antragsgemäß zur Auskunft über seine in den Jahren 2016 bis 2018 erzielten Einkünfte verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde.

Zusammenfassung
Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Der BGH bestätigte, dass der Tochter ein Auskunftsanspruch gegenüber ihrem Vater zustehe.
Denn nach § 1605 Absatz 1 Satz 1 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Eine Ausnahme davon gelte nur dann, wenn feststehe, dass die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen könne. Eine solche Ausnahmesituation liege in diesem Fall aber nicht vor, was bedeutet, dass ohne Auskunft der konkrete Unterhaltsanspruch der Tochter nicht bestimmt werden kann.

Auskunftsanspruch trotz erklärter „unbegrenzten Leistungsfähigkeit“
Bislang musste eine unterhaltspflichtige Person mit der Erklärung, unbegrenzt leistungsfähig zu sein, keine nähere Auskunft mehr über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse geben. Es reichte, wenn die Deckung des vom unterhaltsberechtigten Kind allerdings darzulegenden und zu beweisenden Bedarf übernommen wurde.  Von dieser Handhabe ist der BGH nunmehr im Zuge dieser Entscheidung abgerückt. Ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhalts-pflichtigen Elternteil entfalle nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“. Denn damit erkläre er nur den Verzicht, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben. Damit stehe aber noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann.

Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle über den Höchstbetrag hinaus
Der Bedarf bemesse sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Absatz 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes. Zur Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1610 BGB werde nach einhelliger Praxis der Familiengerichte die Düsseldorfer Tabelle verwendet. Ab einem Einkommen von 5.501 EUR sind in der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2020) keine Bedarfssätze mehr ausgewiesen. Hier wird stattdessen auf eine Bemessung „nach den Umständen des Falles“ verwiesen.
Eine über die höchste Einkommensgruppe hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte hat der BGH in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht für sachgerecht gehalten und bei hohen Einkommen stattdessen grundsätzlich eine konkrete, am Einzelfall orientierte Bedarfsermittlung verlangt. An dieser Auffassung hält er nicht mehr fest und bestätigt damit die Entscheidung des Oberlandesgerichts auch in seiner Begründung:
Auch bei höherem Elterneinkommen müsse sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen
wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspreche. „Einen Anspruch auf bloße Teilhabe am Luxus habe es (das Kind) dagegen nicht. Die diesbezügliche Abgrenzung könne bei einem den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Einkommen nicht generell bestimmt werden, sondern hänge gerade von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Barunterhaltspflichtigen ab. Es mache einen erheblichen Unterschied, ob der barunterhalts-pflichtige Elternteil z. B. ein monatliches Nettoeinkommen von 6.000 EUR oder von 30.000 EUR habe.“
Der BGH ermöglicht ab nun, eine Fortschreibung der Tabelle bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin ausgewiesenen Einkommensbetrags.
Den Familiengerichten ist damit eröffnet, sich nicht mehr an dem vom unterhaltsberechtigten Kind dargelegten Bedarf zu orientieren, sondern auf eine pauschalierte Bedarfsbemessung nach der fortgeschriebenen Düsseldorfer Tabelle zurückzugreifen. Aus diesem Grund ist eine Einkommensauskunft nicht mehr entbehrlich und daher auch ein Berufen auf die eigene unbegrenzte Leistungsfähigkeit nicht mehr möglich.

Einkommensauskunft erforderlich für die Bestimmung der Quote bei Mehrbedarf
Neben die Tabellenbeträge könne ein Mehrbedarf für solche Bedarfspositionen treten, die ihrer Art nach nicht in den Tabellenbedarf einkalkuliert seien. Dazu zählten vorliegend z.B. die Hortkosten. An der Deckung des Mehrbedarfs habe sich der betreuende Elternteil grundsätzlich zu beteiligen, so dass hier die Tochter zur Berechnung der jeweiligen Haftungsquote ihrer Eltern, welche von ihr darzulegen ist, eben der Einkommensauskunft bedürfe.

 

Diese Entscheidung im Original nachlesen

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtspr…