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Verwirkung rückständigen Kindesunterhalts

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Beschluss vom 31.01.2018

Norm: BGB §§ 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 242

Schlagworte:

Rückständiger Kindesunterhalt, Verwirkung, Zeitmoment, Umstandsmoment

Redaktionelle Zusammenfassung

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit von Juli 2011 bis
August 2013.
Der Antragsteller ist der im Juni 1993 geborene Sohn des Antragsgegners (im Folgenden: Vater). Er lebte während
des streitgegenständlichen Unterhaltszeitraums bei seiner Mutter und befand sich in der
allgemeinen Schulausbildung. Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 forderte der inzwischen volljährige Sohn seinen Vater zur Auskunftserteilung über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Zahlung von Unterhalt auf. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 erteilte dieser die begehrte
Auskunft. Nachdem er von seinem Sohn über das Einkommen der Mutter informiert worden
war, errechnete der Vater im Oktober 2011 eine auf ihn entfallende Unterhaltsquote
von 129 EUR. Er forderte den Sohn zur Bestätigung auf, worauf dieser nicht reagierte.
Der Vater zahlte dreimal 140 EUR. Erstmals mit Schreiben vom 19. August 2013 bezifferte der Sohn seinen monatlichen Unterhaltsanspruch auf 205 EUR. Mit Schreiben vom 27. August 2013 wies der Vater die Unterhaltsforderung zurück und verwies den Sohn auf den Klageweg.
Das Amtsgericht hat den Vater antragsgemäß zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands von 4.104 EUR (26 x 174 EUR abzüglich Zahlungen von 420 EUR) nebst Zinsen verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf die Beschwerde des Vaters abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Sohnes, der die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

Zusammenfassung

Die Rechtsbeschwerde hatte zum weit überwiegenden Teil Erfolg. Der BGH berücksichtigte lediglich bei der Unterhaltsberechnung den angemessenen, nicht den notwendigen Selbstbehalt und kam zu einem geringfügig niedrigeren Betrag.

Zur Begründung:
Das Oberlandesgericht hatte den Antrag des Sohnes auf Unterhaltszahlung abgewiesen, weil er diesen Anspruch gegenüber seinem Vater verwirkt habe. Die Verwirkung ist ein Prinzip, das sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableitet (§ 242 BGB). „Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment, Anm. d. R.), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment, Anm .d. R.)“.

Der BGH stimmte darin mit dem OLG überein, dass Unterhaltsansprüche grundsätzlich verwirkt werden können.
Auch stellte er klar, dass trotz gehemmter Verjährung der Ansprüche zwischen Kindern und ihren Eltern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (vgl. § 207 Nr. 2 BGB) Verwirkung eintreten könne. Denn während die Verjährung einzig auf den Zeitaspekt gerichtet ist, müsse für die Verwirkung das Umstandsmoment hinzutreten. Für den Schuldner müsse ein vom Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen, der vom Schuldner konkret darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen sei.
Zu beachten sei allerdings stets, dass der Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen durch sein Verhalten Anlass gegeben haben müsse, auf die künftige Nichtgeltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertrauen, wofür jedenfalls ein bloßes Unterlassen nicht ausreiche.

Gemessen an diesem Grundsatz habe der Sohn im vorliegenden Fall seine Unterhaltsansprüche nicht verwirkt.
Das sog. Zeitmoment könne zwar noch bejaht werden. Denn bei Unterhaltsansprüchen spräche vieles dafür, an das Zeitmoment keine strengen Anforderungen zu stellen. Aus Gründen des Schuldnerschutzes auf der einen Seite und der Überlebensnotwendigkeit von Unterhaltszahlungen auf der anderen Seite sei es angemessen, in der Regel von einer zeitnahen Geltendmachung auszugehen. So könne das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen, um das Zeitmoment als erfüllt anzusehen.

Es fehle aber an der Verwirklichung des Umstandsmoments.
Der Vater habe nicht berechtigterweise aus dem Verhalten des Sohnes schließen können, von diesem nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Weder die zunächst fehlende Bezifferung des Unterhaltsanspruchs noch die Annahme, der Sohn habe nach Erhalt der (über dem notwendigen Selbstbehalt liegenden) Auskunft seinen Rechtsstandpunkt geändert oder gehe selber nicht mehr von einem Unterhaltsanspruch aus, hätten ein Vertrauen in die Nichtinanspruchnahme begründen können. Auch die Höhe des Einkommens der Mutter wirke sich allenfalls anspruchsmindernd, aber nicht -ausschließend aus. Alle weiteren vom Oberlandesgericht angeführten Umstände bestünden schließlich nur im
Unterlassen der weiteren Geltendmachung des Unterhalts durch den Antragsteller, was allein nicht ausreiche.

 

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